Der Begriff der Usurpation ist in der Ägyptologie recht
geläufig. Der Duden bezeichnet es als eine widerrechtliche
Inbesitznahme, eine gesetzwidrige Machtergreifung. Die Ägyptologie
benutzt den Begriff häufig auch bei einer Umwidmung von Objekten.
Unter Ramses II. wurde z. Bsp. gerne auf Statuen der Name der früheren
Statuenbesitzer in den von Ramses II. umgeändert.
|
Da den Alten Ägyptern der Erhalt des Namens für das Weiterleben im
Jenseits enorm wichtig war und Ramses II. bei der Umwidmung der Denkmäler
und Objekten sehr gründlich, hat er den früheren Eigentümer für ihr
Weiterleben sehr geschadet. Dieses "Recycling" fällt wegen der
Vernichtung des älteren Namens und der daraus erwachsenden Folgen für
den Vorbesitzer durchaus unter den Begriff der Usurpation.
|
|
Wie sieht es aber nun bei der Wiederbenutzung ältere Grabanlagen
aus?
|
Daniel Polz hat sich in seiner Dissertation [1] mit dieser Fragestellung anhand
thebanischer Gräber auseinandergesetzt.
|
Er untersuchte Gräber die in der Literatur als "usurpiert"
genannt wurden, Gräber von denen zwei Hauptbenutzer bekannt waren und
"unfertig" gebliebene Gräber.
|
Hier konnte er bei den als "usurpiert" geltenden Gräber zum
Teil feststellen, dass der Name des ursprünglichen Grabinhabers bewußt
erhalten blieb.
|
Bei Gräbern mit zwei Hauptnutzern handelt es sich zum Teil um
Familiengräber, oder die Anbindung an den Erstbenutzer wird z. Bsp. über
den Beruf hergestellt. Bei dieser Art des "tomb-sharings"
behält jeder Nutzer in der Regel einen eigenen Anteil an der
Grabdekoration.
|
Bei den "unfertigen" Gräbern spricht Polz eine Gruppe Gräber
der 18. Dynastie an. Bei ihnen wurde in der Regel nur eine Grabhälfte
dekoriert. Es handelt sich zumeist um kleinere Grabanlagen deren
Hauptnutzer einer "eher weniger hohen sozialen Schicht"
angehörte. Spätere Nutzer dekorierten die verbleibende Grabhälfte
.
|
Die Praxis der damaligen Grabvergabe ist uns Heute relativ unbekannt.
Während hohe Beamte mit Zugang zum König ihre Grabanlage von diesem
zugewiesen bekamen, kennen wir die Praxis für weniger hohe Beamten ohne
Verbindung zum König nicht. Wenig läßt sich aus Akten erschließen. Es
hat allerdings den Anschein als hätte es bestimmte Vergaberichtlinien
gegeben. Dies spiegelt sich im Grunde in der vorliegenden Situation der
mehrfach genutzten Gräber, in denen der alte Grabnutzer erhalten blieb,
wieder.
|
Von einer Usurpation wiederbenutzter Grabanlagen ist demnach nicht so ohne
weiteres zu sprechen. Hier muß der Einzelfall, das jeweilige Grab,
genauer betrachtet werden.
|
Was bedeutet das für die erneute Nutzung der MR-Gräber im NR, zumeist
der frühen 18. Dynastie?
|
Diejenigen MR-Gräber, die im NR erneut genutzt wurden haben uns keine
Namen ihrer Erstbenutzer überliefert. Es stellt sich allerdings die
Frage, wie gut die Grabdekoration nach immerhin 500 Jahren zur Zeit der
Wiederbenutzung überhaupt war. Zudem bleibt die Frage, ob es sich um
vollendete Gräber gehandelt hat. Wieviele Grabanlagen werden mit dem
Umzug des Regierungssitzes von Theben in den Norden aufgegeben worden sein
weil der Grabherr sich am neuen Regierungssitz ein weiteres Grab errichten
ließ?
|
|
Da die MR-Gräber in Theben im Grunde sehr schlecht untersucht und/oder
publiziert sind werden sich diese Fragen nur schwer klären lassen.
|
Berücksichtigen sollte man aber die Vorliebe der frühen 18. Dynastie
für das MR. Dies lässt einen respektvollen Umgang mit Grabanlagen dieser
Zeit durchaus vermuten.
|
|
|
|
|