Usurpation oder Wiederbenutzung

von Grabanlagen

last update: 29.10.2008


Der Begriff der Usurpation ist in der Ägyptologie recht geläufig.  Der Duden bezeichnet es als eine widerrechtliche Inbesitznahme, eine gesetzwidrige Machtergreifung. Die Ägyptologie benutzt den Begriff häufig auch bei einer Umwidmung von Objekten. Unter Ramses II. wurde z. Bsp. gerne auf Statuen der Name der früheren Statuenbesitzer in den von Ramses II. umgeändert.
Da den Alten Ägyptern der Erhalt des Namens für das Weiterleben im Jenseits enorm wichtig war und Ramses II. bei der Umwidmung der Denkmäler und Objekten sehr gründlich, hat er den früheren Eigentümer für ihr Weiterleben sehr geschadet. Dieses "Recycling" fällt wegen der Vernichtung des älteren Namens und der daraus erwachsenden Folgen für den Vorbesitzer durchaus unter den Begriff der Usurpation.
Wie sieht es aber nun bei der Wiederbenutzung ältere Grabanlagen aus? 
Daniel Polz hat sich in seiner Dissertation [1] mit dieser Fragestellung anhand thebanischer Gräber auseinandergesetzt.
Er untersuchte Gräber die in der Literatur als "usurpiert" genannt wurden, Gräber von denen zwei Hauptbenutzer bekannt waren und "unfertig" gebliebene Gräber.
Hier konnte er bei den als "usurpiert" geltenden Gräber zum Teil feststellen, dass der Name des ursprünglichen Grabinhabers bewußt erhalten blieb. 
Bei Gräbern mit zwei Hauptnutzern handelt es sich zum Teil um Familiengräber, oder die Anbindung an den Erstbenutzer wird z. Bsp. über den Beruf hergestellt. Bei dieser Art des "tomb-sharings" behält jeder Nutzer in der Regel einen eigenen Anteil an der Grabdekoration.
Bei den "unfertigen" Gräbern spricht Polz eine Gruppe Gräber der 18. Dynastie an. Bei ihnen wurde in der Regel nur eine Grabhälfte dekoriert. Es handelt sich zumeist um kleinere Grabanlagen deren Hauptnutzer einer "eher weniger hohen sozialen Schicht" angehörte. Spätere Nutzer dekorierten die verbleibende Grabhälfte

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Die Praxis der damaligen Grabvergabe ist uns Heute relativ unbekannt. Während hohe Beamte mit Zugang zum König ihre Grabanlage von diesem zugewiesen bekamen, kennen wir die Praxis für weniger hohe Beamten ohne Verbindung zum König nicht. Wenig läßt sich aus Akten erschließen. Es hat allerdings den Anschein als hätte es bestimmte Vergaberichtlinien gegeben. Dies spiegelt sich im Grunde in der vorliegenden Situation der mehrfach genutzten Gräber, in denen der alte Grabnutzer erhalten blieb, wieder.
Von einer Usurpation wiederbenutzter Grabanlagen ist demnach nicht so ohne weiteres zu sprechen. Hier muß der Einzelfall, das jeweilige Grab, genauer betrachtet werden.

 

Was bedeutet das für die erneute Nutzung der MR-Gräber im NR, zumeist der frühen 18. Dynastie?
Diejenigen MR-Gräber, die im NR erneut genutzt wurden haben uns keine Namen ihrer Erstbenutzer überliefert. Es stellt sich allerdings die Frage, wie gut die Grabdekoration nach immerhin 500 Jahren zur Zeit der Wiederbenutzung überhaupt war. Zudem bleibt die Frage, ob es sich um vollendete Gräber gehandelt hat. Wieviele Grabanlagen werden mit dem Umzug des Regierungssitzes von Theben in den Norden aufgegeben worden sein weil der Grabherr sich am neuen Regierungssitz ein weiteres Grab errichten ließ?
Da die MR-Gräber in Theben im Grunde sehr schlecht untersucht und/oder publiziert sind werden sich diese Fragen nur schwer klären lassen.
Berücksichtigen sollte man aber die Vorliebe der frühen 18. Dynastie für das MR. Dies lässt einen respektvollen Umgang mit Grabanlagen dieser Zeit durchaus vermuten. 
 

1  Polz, Daniel: Das Grab des Hui und des Kel, Theben Nr. 54. Mainz 1997, S. 323 ff

 
 

 

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